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Zuletzt aktualisiert am 07. März 2025
Was sollte ich mich vor dem Tierarztbesuch fragen?
1. Wann sollte ich zum Tierarzt gehen?
Grundsätzlich solltet ihr bereits bei der kleinsten Auffälligkeit sofort mit eurem gefiederten Freund zum Tierarzt gehen. Normalerweise ist die Behandlung der kleinen Vögel auch nicht so teuer wie die Behandlung von Hunden und Katzen. Die schnell mehrere hundert Euro kosten können. Wenn keine große Untersuchung wie Röntgen ansteht, bleibe ich meistens unter 50 Euro für einen Tierarztbesuch. Lieber einmal zu viel als einmal zu spät – das ist mein Grundsatz.

Kleinste Veränderungen, wie Gefiederstörungen oder eine andere Sitzhaltung, sollte euch stutzig machen. Auch, dass euer Vogel mehr schläft und nicht mehr mit den anderen Schwarmkollegen spielt, sind Grund genug für einen Tierarztbesuch. Wellensittiche sind „symptomarm“, das heißt, sie zeigen nur wenige und meist erst sehr spät eindeutige Krankheitssymptome.
2. Wie bringe ich meinen kranken Vogel zum Tierarzt?
Für den Transport zum Tierarzt empfehle ich euch einen kleinen Käfig oder noch besser einen Transport-Käfig anzuschaffen. Diese kleinen Käfige haben den Vorteil, dass sie leicht zu tragen sind und der kranke Vogel nicht auf der Stange sitzen muss, sondern auch auf dem Boden stehen kann. Falls der Vogel im Wartezimmer auf andere Tiere trifft oder das Wetter kalt, windig oder regnerisch ist, solltest du den Käfig mit einem Tuch abdecken. Das schützt den Vogel vor Regen und Kälte und beruhigt ihn meistens.

Ich decke den Boden der Transportbox immer mit etwas Küchenpapier ab. Denn oft haben die Vögel aus Angst oder als Krankheitssymptom Durchfall. So müssen die Vögel nicht in einer Kotpfütze stehen.
3. Muss ich zu einem auf Vögel spezialisierten Tierarzt gehen?
Das Problem mit „normalen“ Tierärzten und deren Praxis ist, sie haben meist nur einen Kollegen der für alle Kleintiere zuständig ist. Das bedeutet, dass er sich nicht nur um Ziervögel, sondern auch um Kaninchen, Hamster, Meerschweinchen und andere Kleintiere kümmert. Ihr könnt euch vorstellen, wie unterschiedlich die Anatomie und Behandlung von einem Kaninchen und kleinen Vögeln ist. Daher solltet ihr versuchen, in der Nähe eures Heimatortes eine Vogelklinik oder einen vogelkundigen Tierarzt zu finden. Beim Vogelbund gibt es eine Liste nach Postleitzahlen.
Für Bonn und Umgebung kann ich die Kleintierpraxis in Alfter empfehlen. Einer der Ärzte, die die Tierarztpraxis betreiben, hat lange in einer Vogelklinik gearbeitet. Die Praxis hat außerdem eine Außenvoliere, die als Auffangstation für abgegebene Wellensittiche fungiert.

Ein typisches Behandlungszimmer beim Tierarzt. Leider ist es zunehmend schwieriger geworden, einen vogelkundigen Tierarzt zu finden, und auch Vogelkliniken sind auch rar gesät. Ich wohne in Bonn und die nächste Vogelklinik gibt es in Düsseldorf.
4. Welche Informationen sollte ich dem Tierarzt geben?
Bei der heimischen Tierhaltung ist es extrem schwierig, Krankheiten frühzeitig zu erkennen. Und da Wellensittiche kaum spezifische Symptome zeigen, ist es auch für den Tierarzt schwierig, die richtige Diagnose zu stellen. Ihr solltet in jedem Fall die Symptome möglichst genau beschreiben. Falls ihr die Möglichkeit habt, ist es sinnvoll, eine Kotprobe von drei aufeinanderfolgenden Tagen mitzubringen. So kann der Vogelkot auf Bakterien und Parasiten untersucht werden.
Falls mehrere Vögel in eurem Schwarm dieselben Symptome zeigen, spart ihr viel wertvolle Zeit, wenn ihr direkt beim ersten Tierarztbesuch alle potenziell erkrankten Tiere mitbringt.

Dieser Wellensittich hat eindeutig eine Kropfentzündung, denn das Kopfgefieder ist verklebt. Ein Zeichen, dass er Körnchen hochwürgt und der Schleim beim Schleudern des Kopfes am Hinterkopf landet. Ihr solltet deshalb die Vögel vorher nicht „zurechtmachen“ und reinigen, weil dies wichtige Hinweise über den Krankheitszustand des Vogels „vernichtet“.
5. Wie erkenne ich, ob Wellensittiche fressen oder nicht?
Eine wichtige Frage, die euch der Tierarzt stellt, ist, ob der Vogel noch Nahrung zu sich nimmt. Und das ist schwieriger zu erkennen als so mancher Vogelhalter denkt. Denn auch hier tricksen die kleinen Vögel allzu gerne. Viele Wellensittiche tun nur so als würden sie fressen. Achtet daher darauf, ob beim Fressen auch die Spelzen herunterfallen. Denn die Vögel essen nicht die ganzen Körner, sondern nur das Innere. Die leeren Hülsen lassen sie einfach fallen.

Mein todkranker Wellensittich Flo hatte nur so getan, als würde er mit den anderen Vögeln im Schwarm fressen. In Wahrheit hat er nur die leeren Hülsen in seinem Schnabel hin und her gewälzt und zerkleinert. So hat der kleine Vogel immer mehr an Gewicht verloren, obwohl es so aussah, als würde er normal fressen. Gesunde Wellensittiche öffnen die Spelzen und lassen die leeren Hülsen fallen.
6. Wie kann ich Gewichtsverlust bei Wellensittichen feststellen?
Meist wird der Gewichtsverlust, vor allem wenn er schnell verläuft, vom Tierarzt als ein erstes Alarmzeichen angesehen. Daher ist es gut, wenn ihr das persönliche „Normalgewicht“ eures Vogels kennt und vor dem Tierarztbesuch auch eine Tendenz angegeben könnt. Vögel haben einen schnellen Stoffwechsel und sind daher darauf angewiesen, genügend Nahrung umzusetzen, um ihren Körper in Gang zu halten.
Daher solltet ihr regelmäßig das Gewicht kontrollieren. Viele Krankheiten verhindern nämlich, dass der Vogel richtig fressen kann oder das Futter richtig umsetzt. Ich nehme dafür eine flache Küchenwaage. Es gibt mittlerweile auch Aufsätze mit einer Sitzstange. Bisher ist mir jedoch nicht gelungen, einen meiner Vögel dorthin locken. Stattdessen wiege ich die Vögel mit einem Transport-Käfig. Entweder ihr wiegt zuerst den leeren Käfig und dann den Käfig samt „Vogelinhalt“ und zieht beides voneinander ab. Oder ihr schaltet die Waage erst ein, wenn ihr den Vogel in den leeren Käfig setzt.


7. Was mache ich, wenn die Behandlung nicht anschlägt?
Dennoch kommt es vor, dass die Behandlung nicht anschlägt oder der Vogel schlicht zu geschwächt ist für eine Behandlung. Vögel sind, wie alle Fluchttiere, Meister darin, ihre Krankheitssymptome zu verbergen, und wirken oft völlig gesund, selbst wenn sie bereits schwer krank sind. In der freien Wildbahn sind die kleinen Vielflieger auf dieses Verhalten angewiesen. Denn kranke Vögel sind nicht nur eine leichte Beute für Fressfeinde. Sie werden auch von ihrem Schwarm zurückgelassen.
Ihr könnt natürlich eine zweite Meinung einholen. In jedem Fall solltet ihr versuchen möglichst rasch mit der Behandlung zu beginnen und währenddessen eine Laboruntersuchung des Vogelkots oder einen Kropfabstrich machen, damit gezielt Medikamente angepasst werden können. Auch kann es helfen den geschwächten Vogel mit Aufzuchtfutter zu füttern oder beim Tierarzt stationär aufnehmen zu lassen. Denn meist sterben die Vögel daran, dass der Vogelkörper durch den Nährstoffmangel schlicht zu geschwächt ist, um die Krankheitserreger zu bekämpfen.

Als letzte Option, wenn keine Behandlung anschlägt, müssen wir uns leider häufig dazu durchringen, den Wellensittich zu erlösen, um ihn nicht länger leiden zu lassen. Eine der schwierigsten Entscheidungen in der Heimtierhaltung, die mir auch immer schwerfällt.
8. Wann sollte ich Wellensittiche erlösen?
Wenn die beste Behandlung nicht anschlägt oder der Vogel zu alt und zu geschwächt ist, um erfolgreich behandelt zu werden, stellt sich die Frage, ab wann man ein Tier erlöst. Euthanasie ist für die meisten Tierhalter der schlimmste „Service“, den ein Tierarzt anbietet. Zwar bedeutet der griechische Begriff so viel wie „schöner Tod“, aber für die Tierhalter ist es schwer zu akzeptieren, dass der geliebte Vogel „erlöst“ werden soll. Aus gegebenen Anlass – meine Wellidame hat schon diverse Behandlungen hinter sich und leidet an einer Herzschwäche, die sie mehr und mehr einschränkt – möchte ich hier ein paar Anzeichen und Hinweise geben, ab wann es ratsam ist, eine Behandlung nicht fortzusetzen:
- Der Vogel kann nicht mehr fressen und verliert immer weiter an Gewicht.
- Der Vogel sitzt nur noch teilnahmslos in einer Ecke, schläft vielleicht nur noch und nimmt nicht mehr am Schwarmleben teil.
- Sein Partner/ seine Partnerin ignorieren den Vogel, meiden ihn vielleicht sogar und reagieren aggressiv, wenn er sich ihnen nähert.
- Der Vogel hat starke Schmerzen. Das merkt man daran, dass er die Augen zukneift.
- Der Vogel kann sich nicht mehr alleine auf der Stange halten, fällt vielleicht von der Stange oder sitzt nur noch auf dem Boden.
- Symptome wie das Hochwürgen von Körnern, schwere und hörbare Atmung werden nicht besser, sondern verschlimmern sich sogar.
Wohl gemerkt, diese Anzeichen beziehen sich darauf, dass dies alles trotz einer Behandlung beim Tierarzt auftritt. Denn zunächst sollte immer versucht werden, das Tier zu retten. In der Regel entstehen auch bei Folgebehandlungen keine astronomischen Summen. Geld ist also kein Argument, um einem Vogel die benötigte Behandlung beim Tierarzt vorzuenthalten.
